Medizinische Perspektive auf THC-Grenzwerte im Straßenverkehr: Ein Freispruch mit Auswirkungen

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Seit dem 1. April 2024 dürfen Erwachsene in Deutschland Cannabis unter bestimmten Bedingungen konsumieren, besitzen und selbst anbauen. Doch für Autofahrer unter den Konsumenten kam die entscheidende Änderung erst im August mit der Anpassung der THC-Grenzwerte im Straßenverkehrsgesetz. Diese Anpassung hatte nun direkte Folgen für einen Mann aus dem Landkreis Leer, der in zweiter Instanz freigesprochen wurde. Seine vorherige Verurteilung basierte auf einem Blutwert von 1,3 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum, was nach den alten Richtlinien zu einem Fahrverbot und einer Geldstrafe geführt hätte.

Neue Grenzwerte als medizinischer Fortschritt?

Der neue Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum, der seit dem 22. August gilt, stellt eine deutliche Anpassung dar, die aus medizinischer Sicht entscheidend ist. Bislang war es so, dass bereits geringe Mengen an THC, die Tage nach dem Konsum noch nachweisbar sein können, ausreichten, um einen Fahrer als „nicht fahrtüchtig“ einzustufen. THC, der psychoaktive Wirkstoff in Cannabis, kann jedoch im Blutserum auch noch lange nach dem Abklingen der psychoaktiven Effekte nachgewiesen werden. Dies führte oft dazu, dass Personen, die nicht mehr unter der akuten Wirkung standen, dennoch mit rechtlichen Konsequenzen zu kämpfen hatten.

Medizinisch betrachtet macht der neue Grenzwert Sinn, da er eine realistischere Einschätzung darüber ermöglicht, wann eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit tatsächlich vorliegt. Die neue Regelung zielt darauf ab, Konsumenten zu schützen, die zwar Cannabis konsumiert haben, jedoch keinen akuten Einfluss auf ihre Fahrfähigkeiten mehr verspüren.

Rückblick: Die alte Rechtslage

Der verhandelte Fall geht zurück auf ein Urteil des Amtsgerichts Papenburg, das im Februar 2024 einen 40-jährigen Mann zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilte. Grundlage war ein THC-Gehalt von 1,3 Nanogramm pro Milliliter Blutserum. Nach den damals geltenden Bestimmungen lag der Grenzwert bei 1,0 Nanogramm, was bedeutete, dass selbst eine lange zurückliegende Cannabiseinnahme als „Drogenfahrt“ gewertet werden konnte. Dies brachte viele medizinische und rechtliche Herausforderungen mit sich, da es kaum eine Differenzierung zwischen akuter Beeinträchtigung und Restwerten des THC im Blut gab.

Neuer Grenzwert und Freispruch

Mit der Einführung des höheren Grenzwerts von 3,5 Nanogramm wurde die Situation für den Fahrer nun deutlich verbessert. Laut geltendem Recht muss das mildeste Gesetz angewendet werden, wenn sich die Rechtslage zwischen Tatzeitpunkt und Urteil ändert. Da der Blutwert des Angeklagten unter dem neuen Grenzwert lag, sprach das Oberlandesgericht Oldenburg ihn frei.

Medizinische Hintergründe zu THC im Blut

Der neue Grenzwert ist auch aus medizinischer Sicht interessant. THC, das in Cannabis enthalten ist, wird im Körper unterschiedlich schnell abgebaut und kann je nach Konsummuster über längere Zeit nachgewiesen werden, ohne dass eine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit besteht. Dies unterscheidet sich stark von Substanzen wie Alkohol, bei denen die Wirkung klarer und schneller abklingt.

Die Anpassung des Grenzwerts trägt dem Umstand Rechnung, dass der Nachweis von THC im Blutserum nicht zwangsläufig eine bestehende Beeinträchtigung bedeutet. Auch in anderen Ländern wie Großbritannien, Polen oder der Schweiz liegen die Grenzwerte zwischen 3 und 6 Nanogramm pro Milliliter – teils sogar höher.

Fazit: Ein medizinischer Fortschritt?

Die Erhöhung des THC-Grenzwerts im Straßenverkehr stellt einen wichtigen Schritt dar, um Konsumenten fairer zu behandeln und zwischen Restspuren und tatsächlicher Beeinträchtigung zu differenzieren. Aus medizinischer Sicht wird nun anerkannt, dass THC-Abbauprodukte nicht zwangsläufig mit akuten Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit gleichzusetzen sind. Die Freisprechung des Autofahrers zeigt, dass die Anpassung des Gesetzes sinnvoll ist, um unnötige Bestrafungen zu vermeiden und ein realistischeres Bild von Cannabiskonsum und Fahrverhalten zu schaffen.

Redaktion

Geschrieben von HaZ Lena Rauch
gepostet in Medizin
am Sonntag, 01.09.2024